Unsere Zeit mit Erfan

Nach einer langen Zeit des Wartens ist Anfang August 2014 der 12jährige Erfan endlich in Frankfurt am Main gelandet. Kathrin Quensel und Birgit Raub von Amyal e.V., ein Dolmetscher und wir, Peter und Birgit Jacobsen – die Gasteltern – empfingen einen freundlichen, wenn auch noch schüchternen Jungen.
Die Fahrt durch die dunkle Nacht nach Thüringen dauerte eine gefühlte Ewigkeit und wir trafen gegen 3.00 Uhr morgens bei uns zu Hause ein.
Wir waren sehr erstaunt, dass Erfan ziemlich gut englisch sprach. So gab es in den ersten Tagen kaum Probleme mit der Verständigung. Mit der Zeit hat Erfan dann aber auch die deutsche Sprache gelernt und das sogar sehr schnell.
Die ersten Tage waren nicht immer einfach. Erfan hatte Heimweh. Der telefonische Kontakt zu seiner Familie half ihm, wühlte ihn aber auch emotional auf. Fast hilflos versuchten wir die Tränen des Jungen zu trocknen und konnten ihm erst einmal nichts anderes anbieten als Geborgenheit. Aber er gewöhnte sich an die Abläufe in seinem Zuhause auf Zeit, an die Rangordnung und auch an unser Haustier – den Kater Chrismo. Obwohl alles neu für ihn war, bemühte er sich, alles richtig zu machen und es auch zu verstehen. Auch für uns war es eine Umstellung. Nicht nur bei der Ernährung gibt es ja Einiges zu beachten. Das auf Schweinefleisch verzichtet wird, war klar. Aber spannend war, was der Junge überhaupt essen mochte. Zum Glück war er auch hier mit Neugier dabei.
Zu den ersten Tagen in Deutschland gehörten auch die Untersuchungen in der Klinik. Alle Ärzte und Schwestern in der Klinik waren sehr freundlich zu Erfan und obwohl auch hier wieder alles für ihn fremd war, war er tapfer und ließ alles über sich ergehen. Kein Kind dieser Welt lässt sich gerne Blut abnehmen. Auch Erfan nicht, aber er blieb standhaft.
Bei Erfan wurde eine MRSA-Infektion festgestellt. So war eine stationäre Aufnahme vorerst ausgeschlossen. Vorrangig musste nun erst einmal dieser Keim bekämpft werden. Hygiene spielt hier die oberste Rolle. Ohne die Unterstützung der Klinik und der Amyal-Mitglieder Frau Raub und Frau Quensel wäre die praktische Umsetzung dieser Aufgabe schwierig geworden. Sie versorgten uns nicht nur mit der notwendigen Medizin, sondern auch mit Bettwäsche, Handtüchern, Desinfektionsmitteln, Zahnbürsten und anderen Hygieneartikeln. Dies alles musste täglich gewechselt werden.
Die Zeit während der MRSA-Therapie nutzten wir, um Erfan ein bisschen von unserer Heimat zu zeigen. Er erlebte viele Dinge, die er bisher nicht kannte, beispielsweise Ritterfestspiele auf einer alten Burg und eine Falknerei-Vorstellung, wir besuchten auch die Marienglashöhle, das Meeresaquarium und die Explorata-Mitmachwelt. Erfan hat großes Interesse an Technik, bestaunte alte Lokomotiven in einem Museum genauso wie eine Modellbahn-Ausstellung. Wir waren auf dem Inselsberg-Spiel-Park und sind an einer Talsperre etwas gewandert und mit dem Schiff gefahren, auch mit der Eisenbahn und Vieles anderes mehr. Bei schlechtem Wetter blieben wir zuhause und vertrieben uns die Zeit mit Gesellschaftsspielen. Erfan hat bei uns schwimmen und Fahrrad fahren gelernt.
Während seiner Zeit bei uns entwickelte sich zwischen Erfan und Peter ein inniges Verhältnis. Peter ist EU-Rentner und übernahm so die Betreuung von Erfan tagsüber – nur deshalb konnten wir überhaupt Gasteltern für ein Kind werden.
Erfan und Peter haben unseren Garten gepflegt, Rasen gemäht und Hecke geschnitten, Obst und Gemüse geerntet. Er war immer mit vollem Elan dabei. Selbst ein Regenwurm, den er nicht kannte, war eine echte Entdeckung für ihn. Aber er half auch im Haus, deckte den Tisch für gemeinsame Mahlzeiten und hing Wäsche mit uns auf.
Bei einem Freund durfte Erfan einen richtigen Bagger fahren. Das war für ihn ein tolles Erlebnis.
Die weiterführende Behandlung im Krankenhaus in Erfurt verlief erfreulicherweise reibungslos und sehr unkompliziert. So konnte Erfan sogar noch ein paar Wochen auf die Montesori-Schule in Emleben gehen. Er liebte es. Für ihn war das die perfekte Schule. Er hat sehr bedauert, dass die Kinder in Deutschland Weihnachtsferien haben. Denn er wäre gerne noch länger in die Schule gegangen.
Mitte Dezember kam noch ein anderer afghanischer Junge nach Erfurt – Roman aus Kabul. Auch er musste wegen einer zurückliegenden schweren Beinverletzung behandelt werden. Erfan und Roman wurden Freunde. Endlich konnte er auch mal wieder in seiner Muttersprache mit einem Gleichaltrigen quatschen und spielen. Beim gemeinsamen Pizza-Essen hatten wir alle viel Spaß und auch beim gemeinsamen Schwimmen.
Ganz neu war für ihn die Advents-und Weihnachtszeit. Er hat mitgeholfen, unser Haus weihnachtlich zu schmücken und wir haben zusammen Plätzchen gebacken. Wie der Nikolaus ins Haus kommt, war die große Frage und die Bescherung zu Weihnachten eine Überraschung.
Erfan war fast 5 Monate bei uns und es tat weh, ihn am 04.01.2015 wieder nach Hause fliegen lassen zu müssen. Die Aufgabe, als Gasteltern ein krankes Kind aufzunehmen war eine echte Herausforderung. Die Zeit mit Erfan war aber auch eine große Bereicherung in unserem Leben. Wir sind froh, diese Erfahrung gemacht zu haben.
Wir haben Erfan sehr lieb gewonnen und würden ihn gerne weiter unterstützen. Der Kontakt besteht jetzt mit ihm weiter über Skype. Er meldet sich regelmäßig aus einem Internet-Café in Kabul.
Vor allem werden wir seinen Bildungsweg begleiten. Wenn er dann wirklich in ein paar Jahren sein Abitur schafft und studieren will, wollen wir mit dafür sorgen, dass ihm ein Studium ermöglicht wird.
Zur Zeit versucht die Familie zu erreichen, dass Erfan an der Armany-High-Scool in Kabul aufgenommen wird. Dort wird auch die deutsche Sprache als Unterrichtsfach angeboten und das Abitur wird auch in Deutschland anerkannt.

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