Neue Westfälische, 25.05.2012

Heute ist folgender Artikel in der Neue Westfälische, Lokalteil Bad Oeynhausen, erschienen:

Eine Werkstatt geht auf Reisen

Die Auguste-Viktoria-Klinik spendet Geräte und Hilfsmittel zur Herstellung von Prothesen
VON JESSICA KLEINEHELFTEWES

Bad Oeynhausen. Was passiert mit einer voll funktionsfähigen orthopädischen Werkstatt, die nicht mehr gebraucht wird? Die Auguste-Viktoria-Klinik und die Organisation Amyal haben gemeinsam eine Lösung gefunden: Die Gerätschaften aus der alten technischen Orthopädie werden ins afghanische Kabul gebracht – dort werden sie dringend gebraucht.

“Es gibt schätzungsweise eine Million Menschen, die Arme oder Beine verloren haben”, weiß Doris Horn, Vorstandsmitglied der Organisation Amyal. “Als wäre das noch nicht schlimm genug, gibt es derzeit nur 50 Orthopädietechniker im ganzen Land und Frauen dürfen nicht von Männern behandelt werden.” Die Prothesenwerkstatt soll jetzt also zweifach helfen: “Zum einen können bessere Prothesen angefertigt werden und neue Orthopädietechniker und -technikerinnen ausgebildet werden.”

Zustande kam die Kooperation zwischen Amyal und der Auguste-Viktoria-Klinik bereits vor drei Jahren. “Der Kontakt entstand durch Mia, unseren kleinen Patienten aus Afghanistan”, erinnert sich Elmar Bitter, Leiter der Orthopädischen Werkstatt. Dem Jungen wurde 2007 in der Auguste-Viktoria-Klinik in Bad Oeynhausen der rechte Fuß amputiert und er bekam eine Prothese. “Nachdem wir 2011 die neue Orthopädie eingeweiht haben, waren die alten Geräte über”, erläutert Bitter. Für Doris Horn ein Glücksfall, dass Bitter sofort an Amyal dachte. “In Afghanistan gibt es kein Gesundheitssystem und die medizinische Versorgung ist erschreckend schlecht”, weiß die 64-jährige Löhnerin. Es gebe keine Krankenschwestern, Hygienebestimmungen gebe es nicht und jeder Amputierte müsse sehen, wie er mit 20 Dollar vom Staat zurechtkomme.

“Natürlich können wir mit den Maschinen, Werkzeugen und Materialien nur einem kleinen Teil helfen”, dass wissen auch Horn und die Mitglieder von Amyal. Dennoch können sie etwas verändern. Die Container, die die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks Vlotho ehrenamtlich nach Feierabend beladen, finden sich neben Bandsägen, Schleifmaschinen und Absauganlagen auch Materialien und Hilfsmittel wie Krücken und Rollatoren. “Zwar sind einige Maschinen rund 50 Jahre alt, aber dennoch sind sie voll funktionstüchtig”, erzählt Bitter. “Wir haben keinen Schrott gespendet.” Das kann Matthias Thiesmeyer nur bestätigen. Er hat die Geräte überprüft und zusätzlich dafür gesorgt, dass sie auch in Afghanistan einwandfrei funktionieren. Nun können die zwei Container auf die Reise gehen.

“Der Transport nach Kabul wird rund zwei bis drei Monate dauern”, weiß Doris Horn. Per Zug geht es zunächst in die Ukraine und dann per Lastwagen weiter nach Afghanistan. Dort wartet bereits der Orthopädietechniker Abdul Wali Nawabi auf die Gerätschaften. Nawabi und die Mitglieder von Amyal kennen sich bereits seit vier Jahren. “Es ist schön zu wissen, wo die Geräte landen”, sagt Horn, die sich alles vor Ort anschauen möchte.

“Uns war besonders wichtig, dass die Geräte nicht als Kriegswerkzeuge missbraucht werden”, erklärt Elmar Bitter. Umso mehr freut sich das Team der Auguste-Viktoria-Klinik, dass die Maschinen in gute Hände kommen.

 
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